Was lange währt, wird endlich gut. So jedenfalls wird von den Initiatoren und Gründungsbeteiligten die (fast) unendliche Geschichte der Gründung der Bundesarbeitsgemeinschaft Gemeindepsychiatrischer Verbünde (BAG GPV) betrachtet. Dabei hatten manche Zweifler die BAG schon vor ihrem eigentlichen Start für gescheitert erklärt. Immerhin hatte bereits im Jahr 2003 die Aktion psychisch Kranke e.V. (APK) eine Initiative zur »Verbesserung der Steuerung regionaler psychiatrischer Hilfen« gestartet und im Rahmen der Jahrestagung zur Diskussion gestellt. In diesen Vorschlag waren die Erfahrungen aus dem Projekt zur Implementation der personenzentrierten Hilfen in einigen Regionen in der Bundesrepublik gemündet. Die beteiligten Projektregionen hatten nahezu durchweg die Erfahrung gemacht, dass der Abschluss der Projektvereinbarung mit der APK neue, zuweilen recht lebhafte Diskussionen über die Verbindlichkeit von gemeinsamen Projektzielen mit sich gebracht hatte. Denn Kooperationen in der Arbeitspraxis zu gestalten ist nur eine Seite der Aufgabe, sich aber über gemeinsame Ziele und Wege verbindlich und sogar schriftlich zu einigen, ist eine ganz andere Anforderung. Die Regionen, die sich auf diesen Prozess einließen, hatten übereinstimmend festgestellt, dass sie eine neue Qualität in der regionalen Verbindlichkeit gewonnen hatten.
Da das Projekt zur Implementation des personenzentrierten Ansatzes über mehrere Länderprojekte weit mehr als die sechs Projektregionen des Bundesprojekts erreicht hatte, war landauf und landab ein Prozess zur Gründung von regionalen Kooperationstrukturen in Gang gekommen.
Gleichzeitig war in den letzten Jahren der Begriff des »Gemeindepsychiatrischen Verbunds« immer häufiger benutzt worden und in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen aufgetaucht, etwa in Richtlinien der Krankenversicherung (z.B. in den Soziotherapie-Richtlinien). Oder es hatten sich einzelne Träger und Organisationen diesen Namen gegeben. Der Begriff des Gemeindepsychiatrischen Verbundes war und ist in hohem Maße heterogen. Gelegentliche unverbindliche Zusammenkünfte finden unter dieser Bezeichnung statt, die Funktionen von Psychiatriebeiräten oder Psychosozialen Arbeitsgemeinschaften werden mancherorts so benannt und an anderen Orten wird unter dem »GPV« die organisierte und verbindliche Zusammenarbeit der an der Versorgung beteiligten Einrichtungen und Dienste verstanden. Nicht einfacher wird die Lage durch die in Niedersachsen per Gesetz gebildeten »Sozialpsychiatrischen Verbünde«. Die Initiative galt daher auch dem Ziel, den Begriff des Gemeindepsychiatrischen Verbundes aus der Beliebigkeit herauszuführen und ihn mit fachlichen Ansprüchen zu untersetzen.
Der Kern der Initiative der APK war, über einen bundesweiten Zusammenschluss von Regionen mit gemeinsam definierten Ansprüchen an die eigene Verbundsstruktur und die Qualität des regionalen psychiatrischen Hilfesystems die bundesweite Entwicklung der gemeindepsychiatrischen personenzentrierten Arbeit zu fördern.
Diese Gründungsinitiative führte etwa zwei Jahre lang zu lebhaften Auseinandersetzungen über das Selbstverständnis von Gemeindepsychiatrischen Verbünden und über die Ziele der zu gründenden BAG. Auch die Organisationsanforderung an die Struktur von Gemeindepsychiatrischen Verbünden bedurfte intensiver Diskussion. Was ist eigentlich ein »Gemeindepsychiatrischer Verbund“? Wer sollte mindestens beteiligt sein, damit von einem »Gemeindepsychiatrischen Verbund« zurecht die Rede sein kann? Reicht eine schriftliche Grundsatzerklärung weniger Akteure aus, oder sind höhere Anforderungen an die Verbindlichkeit zu stellen? Diese und viele weiteren Fragen wurden durchaus kontrovers und kritisch längere Zeit diskutiert.
Das Anliegen der Gründungsinitiative ist die Betonung der Verbindlichkeit unter einheitlichen Zielen. Die Träger, Organisationen, Einrichtungen, Kliniken und Dienste, die gemeinsam in ihrer Region die Grundsätze der personenzentrierten Arbeit verlässlich realisieren wollen, sollen sich in der BAG gegenseitig austauschen und unterstützen können. Denn die Umsetzung fachlicher Standards schafft erhebliche Herausforderungen: Keinen Bürger wegen Art, Schwere oder Dauer seiner Erkrankung auszuschließen, stets sorgsam auf die individuelle Hilfeplanung und –leistung zu achten und folgerichtig die institutionellen Ansprüche zurückzustellen, regionale Kooperationsstrukturen und Schnittstellen zwischen den Institutionen mit Hilfe koordinierender Bezugspersonen verbindlich zu organisieren, das sind nur einige Beispiele für Aufgaben, die in aller Regel, wenn sie mehr als Lippenbekenntnisse sind, erhebliche Anforderungen an die Akteure stellen. Sich darüber auszutauschen, voneinander zu lernen, gemeinsam sich fortzuentwickeln und dabei mit dem Begriff des Gemeindepsychiatrischen Verbunds auch Qualitätsansprüche an sich zu formulieren, ist das zentrale Anliegen der BAG. Zur gegenseitigen Unterstützung wird sich eine Besuchskommission bilden, die – vielleicht nach Vorbild der Besuchskommission der Bundesdirektorenkonferenz – in den beteiligten Regionen Anregungen für die weitere Entwicklung geben wird.
Diese Ziele der BAG können nur erreicht werden, wenn die Mitgliedsverbünde weitgehend ähnliche Ziele verfolgen. Zu den Ansprüchen an einen GPV, die deshalb in Form von »Qualitätsstandards« an GPVs formuliert und in der Gründungsversammlung beschlossen wurden, gehören neben den schon genannten Anforderungen auch die Bereitschaft zum Austausch mit den Organisationen der Psychiatrieerfahrenen und der Angehörigen, aber auch die Beteiligung an regionalen und kommunalen Steuerungsstrukturen. Damit wird ein Selbstverständnis des Gemeindepsychiatrischen Verbundes formuliert als des Zusammenschluss der Organisationen und Träger, die konkret die psychiatrische Arbeit leisten und dies unter gemeinsam definierten Qualitätsansprüchen tun wollen.
Durch eine Arbeitsgruppe, anfangs aus einem breiten Interessentenkreis, später aus Vertretern interessierter Verbünde bestehend, wurden die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen. Mit einem Weg in der Satzung, der auch Verbünden, die auf Kooperationsvereinbarungen gründen, den Zugang zur BAG GPV ebnete, war die wesentliche Voraussetzung für eine breite Teilnahme von Regionen geschaffen, die von der Ostsee bis zum Bodensee tätig sind. Und letztlich verständigte sich die Vorbereitungsgruppe darauf, der Gründungsversammlung vorzuschlagen, dass die Mitgliedschaft nicht unbegrenzt sein, sondern immer wieder erneuert werden soll. Auch das soll dazu dienen, sich in den Regionen nicht auf dem Erreichten auszuruhen, sondern stetig an den Prozessen weiterzuarbeiten.
Zur Gründung am 29. März 2006 waren in Kassel rund 20 Verbünde aufgerufen, die sich im Vorfeld interessiert gezeigt und ihren Entwicklungsstand dargelegt hatten. Damit ist nun nicht etwa ein Prozess zum Abschluss gekommen, sondern ein Startzeichen gegeben. Die BAG GPV wird ihre Arbeit aufnehmen. Verbünde, die sich für die Mitarbeit interessieren oder Mitglied werden wollen, können sich über die APK mit der BAG GPV in Verbindung setzen. Dort, wie auch im Internet sind die Satzung und die beschlossenen Qualitätsstandards (s. nächste Seite) erhältlich. Wir laden herzlich ein, sich an diesem Austausch zu beteiligen und ihn durch viele neue Anregungen zu bereichern. Wer schwierige Aufgaben bewältigen will, bedarf der Unterstützung von Gleichgesinnten. Eine Struktur dafür ist geschaffen, sie will nun mit Leben gefüllt werden.
Kontakt: APK, Brungsgasse 4-6, 53117 Bonn, Tel. (0228) 67 67 40, Fax 67 67 42, E-Mail: apk-bonn@netcologne.de